...hat heute Geburtstag und da wir ohne diesen klugen Mann nicht so viel Zeit vor selbigen verbringen würden, so wollen wir seinen Geburtstag natürlich auch ein wenig feiern. Zur Welt kam unser Zuse 1910 in Wilmersdorf und zeigte bereits in frühen Jahren Neigung zum Erfindergeist. Sein Studium schloß er 1935 ab und baute mit seiner Z1 den ersten Vorläufer seines Computers. Den ersten davon baute er 1941 mit seiner Z3 und wurde schon sehr bald zur Kriegsforschung herangezogen. Seine Rechenmaschinen wirkten bei der Entwicklung der Gleitbombe Hs 293 mit. Von 1942 bis 1946 entwickelte er mit Plankalkül die erste höhere Programmiersprache der Welt. Seinen Computer Z4 rettete er über den Zusammenbruch unseres alten deutschen Reiches und versteckte sie vor den Landfeinden. Von 1949 bis 1964 leitete er die Zuse KG - und hieran erkennt man die Tragik für unseren Erfinder. Dessen Pionierarbeit anfangs gefördert wurde, aber nach Kriegsende auf sich alleine gestellt war. Und viele geniale Erfinder besitzen nicht die nötigen kaufmännischen Fähigkeiten, um ein großes Unternehmen aufbauen zu können. In der Regel machen so andere Geld mit ihren Schöpfungen. Sein Leben hat unser Erfinder uns in „Der Computer – Mein Lebenswerk“ selbst niedergeschrieben und daraus wird heute ein wenig vorgelesen. Ich beginne mit dem Vorwort: „Dieses Buch erzählt die Geschichte des Computers aus der Sicht dessen, der vor nunmehr fast fünfzig Jahren den ersten Computer gebaut hat. Zugleich will es Antwort geben auf die mir oft gestellte Frage: „Wie kamen Sie eigentlich dazu, den Computer zu erfinden?“ Es erzählt auch meine Lebensgeschichte, die Geschichte des Erfinders Konrad Zuse. Solche Erfindergeschichten, beziehungsweise diejenigen, die sie erzählen, haben bisweilen einen Hang zum Märchenhaften. Das Publikum, so scheint es, schätzt vor allem den verkannten Erfinder und die wundersame Inspiration. Ich gestehe vorab, daß ich mit beidem nicht werde dienen können. Gewiß, auch in meinem Erfinderleben hat es Inspirationen gegeben; aber etwas Wundersames hatten sie nicht an sich. Alles in allem waren sie das Ergebnis harter Arbeit. Für meine Person gilt, was der große Erfinder Edison einmal sagte, daß nämlich das Erfinden zu einem Prozent aus Inspiration und zu neunundneunzig Prozent aus Transpiration, also Arbeit, besteht. Davon will ich berichten. Fast ebensooft wie die eingangs zitierte Frage wurde mir die nach den Motiven meiner Erfindertätigkeit, meines Engagements, ja meiner Leidenschaft für die Technik gestellt. Nicht selten meinte ich darin den unausgesprochenen Vorwurf der Naivität mitschwingen zu hören. Auch dazu will ich einiges vorausschicken. Tatsächlich glaubten wir Pioniere der Computerentwicklung an die Technik. Was die Segnungen des technischen Fortschritts anging, herrschte unter uns ein ungeheurer Optimismus, um nicht zu sagen Euphorie. Man mag das Naivität nennen; man sollte aber nicht vergessen, daß diese Haltung erst nach dem Kriege, und auch dann erst allmählich, einer zunehmenden Skepsis gewichen ist. Die entscheidende Zäsur war hier wohl der erste Abwurf einer Atombombe. Seither erwartet man vom Forscher und Erfinder mehr als zuvor ein Bewußtsein von seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und von der möglichen Kehrseite der Entwicklungen, die seine Erfindung in Gang bringt. Der Erfinder, so wird gefordert, möge seine Entdeckungen zuallererst der Öffentlichkeit präsentieren und sodann deren Erlaubnis einholen, an ihnen weiterzuarbeiten. Man wird sehen müssen, wie künftige Erfindergenerationen mit solchen Ansprüchen fertig werden. Ich selber will diesbezüglich Zweifel nicht verhehlen. Aus leidvoller Erfahrung weiß ich, daß neue Ideen in den seltensten Fällen überhaupt ein interessiertes Publikum finden. Ich selber habe in den dreißiger Jahren nur meinen engsten Freunden und Mitarbeitern zu erzählen gewagt, daß ich es für möglich hielte, daß Computer eines Tages Schachgroßmeister besiegen könnten. In der Öffentlichkeit hätte man mich dafür einen Phantasten geheißen. Wie also hätte ich, gesetzt den Fall, sie wäre mir bewußt gewesen, die mögliche Kehrseite solcher „Phantastereien“ zur Diskussion stellen sollen? Ich hätte mir wohl nur meine ohnehin nicht sehr zahlreichen Förderer verschreckt. Es ist eben so, daß eine Erfindung in der Regel erst dann öffentliches Interesse findet, wenn aus dem noch formbaren kleinen Kind sozusagen ein strammer Bursche geworden ist, der sich, um im Bild zu bleiben, so leicht nicht mehr herumkommandieren läßt. Die Freiheit des Forschers und Erfinders wird hier oft überschätzt, ganz zu schweigen davon, daß die technische und wissenschaftliche Entwicklung ein so komplizierter Prozeß ist, daß die Folgen einer bestimmten Innovation nur schwer vorauszusehen sind. Und ein Weiteres wird vergessen: das, was man die Seele oder das Lebensgefühl nicht aller, aber doch vieler Erfinder nennen könnte. Für sie nämlich ist das Erfinden und Entdecken nicht eine Beschäftigung unter vielen, sondern tatsächlich, wie Oswald Spengler sagt, eine Leidenschaft. In der Figur des Faust hat Goethe diesem Lebensgefühl großartig Ausdruck gegeben. Und wie beim Faust, so finden sich auch in der Umgebung vieler Erfinder und Entdecker mephistophelische Gestalten. Nur zu oft ist der Erfinder der faustische Idealist, der die Welt verbessern möchte, aber an den harten Realitäten scheitert. Will er seine Ideen durchsetzen, muß er sich mit Mächten einlassen, deren Realitätssinn schärfer und ausgeprägter ist. In der heutigen Zeit sind solche Mächte, ohne daß ich damit ein Werturteil aussprechen möchte, vornehmlich Militärs und Manager. So ist etwa die amerikanische Computerentwicklung - oder gar die der Raumfahrt - gar nicht denkbar ohne die Unterstützung der Militärs. Ich selber habe es mehr mit Managern und Wissenschaftlern zu tun gehabt. Nach meiner Erfahrung sind die Chancen des Einzelnen, sich gegen solches Paktieren zu wehren, gering. Zwei Bemerkungen noch zur technischen Seite dieses Buches. Zum einen sind viele meiner Unterlagen der Vorkriegszeit während des Krieges verlorengegangen. So gibt es zum Beispiel von meinen ersten Rechenmaschinenmodellen kaum noch Bilder oder Pläne. Ich habe mich deshalb hie und da mit Handskizzen behelfen müssen. Zum zweiten bin ich davon ausgegangen, daß nicht jeder, der sich für die Geschichte des Computers interessiert, Computerfachmann ist. Ich habe mich deshalb entschlossen, das Buch so allgemeinverständlich wie möglich zu schreiben und dem Fachmann einen Wissenschaftlichen Anhang zur Verfügung zu stellen, auf den im Text jeweils verwiesen wird. Schließlich möchte ich an dieser Stelle all jener gedenken, die mich auf die eine oder andere Weise in meiner Arbeit unterstützt haben und die heute nicht mehr leben. Es sind dies vor allem meine Eltern und meine Schwester sowie meine unmittelbaren Mitarbeiter Professor Helmut Schreyer, Günther Buttmann, die Gebrüder Herbert und Horst Müller, Hans Lohmeyer, Dr. Hans-Jürgen Funk und Theodor Fromme. Besondere Unterstützung fand ich in Deutschland bei den Herren Dr. Kurt Pannke, Professor A. Teichmann, Professor Alwin Walther, Gerhard Overhoff, Walter Hubing, Professor Hubert Cremer und Professor Herbert Wagner. Nach dem Kriege fand ich wesentliche Unterstützung auch aus der Schweiz; mein Dank gilt den Herren Professor Donald Brinkmann, Oskar Weder, Dr. Heinz Rutishauser und ganz besonders Professor Eduard Stiefel. Gedacht sei auch der Pioniere der Computerentwicklung Hans-Joachim Dreyer (Deutschland), Howard H. Aiken (USA), John v. Neumann (USA) und John W. Mauchly (USA)...“.