...r Dichter Rudolf Georg Binding in Basel geboren. Zahlreiche Erzählungen, Berichte und Gedichte gibt es von ihm zu lesen. Ein Dichter und Krieger im klassischen Sinne ist unser Rudolf Binding. Denn er zog auf seine alten Tage in den Vierjährigen Krieg und brachte es zum Rittmeister und Stabsoffizier. Wie immer feiern wir Panzertiere unseren Dichter mit seinen Werken. Ich versuche euch einfach mal für seine Sage von Wingult: https://archive.org/details/DerWingult „Nur wenige haben die wahrhaft wüste und ungeheuerliche Gestalt des Wingult erlebt, die im ersten Jahre des großen Krieges erschien und in einem ungeschlachten Heldentum von kurzer Dauer und kaum erkennbarer Deutung an den Augen der Menschen vorüberzog. Wie aus urfernen und urersten Zeiten stammend ging der Wingult seinen Weg. Er glich den alten sagenhaften Männern und Helden, denen ungeheure Körperkräfte zur Erfüllung riesenhafter Taten zu Gebote stehen, und andere Zeiten hätten leicht einen Mythos aus seinem Tun gemacht, bei welchem er, die Menschen denen er gedient verlassend, zu den Göttern hinüberging. Als gegen Ende der ersten großen Kriegsbewegungen die Heere in zwei unendlich langen Fronten sich aneinander keilten, in Erde und Fels einwühlten und monatelang um den Besitz eines fußbreiten Fetzens Land oder eines Hügels statt um die Entscheidung kämpften, kam mit einem kleinen Trupp von Ersatzmannschaften für eine deutsche Dragonerschwadron ein auffälliger Kerl in einem französischen Dorf an, sein Pferd am Zügel führend wie die andern. Sie waren in gehöriger Entfernung von der Front ausgeladen worden und hatten einen erheblichen Marsch hinter sich. Der Rittmeister, der seine Schwadron in dem Dorf untergebracht hatte, trat bei der Ankunft der neuen Mannschaften aus seinem Gehöft auf die Dorfstraße. Wie die Leute hießen und wie alt sie seien. Jeder beantwortete die Fragen. „Wingult“ sagte der Auffällige, als die Reihe an ihn kam, „dreiundfünfzig Jahre.“ Der Offizier fand Anlaß den Mann zu betrachten. Ein Kerl, vornübergebeugten Nackens, mit riesenhaften Schultern und gewaltigem Rücken, langen Armen, ungeheuren Händen, auf starken Beinen ruhend wie eingelassen, sah er aus wie ein ragender stehengebliebener Brückenpfeiler, an dem nach vorn ein Stück der Wölbung hing während man die übrige Brücke abgetragen hatte. Langsame schwere Bewegungen verrieten unheimliche Kräfte. „Sie sind also freiwillig ausgerückt. Wann haben Sie im Heer gedient? Was ist Ihr Beruf?“ – Er sei nie Soldat gewesen, antwortete der Wingult. „Wie kommt das?“ fragte der Rittmeister; „warum hat man Sie nicht eingestellt?“ – Wingult grinste etwas verlegen, griff mit der einen Hand von unten auf seinen Rücken und sagte: „Ich paßte, glaube ich, nicht in eine Paradeaufstellung.“ Das war richtig: ein Brückenpfeiler seiner Art war mit einer in Linie aufzustellenden Kompanie nicht in Einklang zu bringen. Der Wingult war Rheinschiffer von Beruf und mochte früh genug durch die zu ladenden und entladenden Lasten seinen Schultern die Muskellagen angewöhnt haben die sie jetzt so gewaltig erscheinen ließen. Nichts beschäftigte seinen Geist als nur, ob und was man in der Welt mit der Kraft seines Körpers leisten könnte. Jahraus jahrein, tagein tagaus hatte er immer schwerere Lasten gehoben und auf den eisernen Gebirgen seiner Schultern an den Ort geschleppt wohin sie gehörten. Er war stumpf geworden in diesem Dienst und der Anstrengung die er forderte. Aber er war stolz geworden, stärker zu sein als andere. Ob er den Fahneneid geleistet habe, fragte der Rittmeister. Der Wingult wußte nicht was das sei. Ein Treueid gegen den Kaiser und das Vaterland, erklärte man ihm. Der Wingult begriff das nicht; er trete doch nur in Dienst; er diene doch; gegen Lohn und Verpflegung. Es wurde ihm bedeutet, er habe dem Kaiser zu schwören. Ob der Kaiser auch ihm schwöre, fragte der Wingult, und auf alle Fälle bekreuzte er sich, bevor er, wie er es von den andern sah, die Hand zum Eide hob. Ob das hindere daß er in Dienst stehe; er wolle nur dienen, protestierte er, auf einfache Verhältnisse bedacht, die er verstand und zu überblicken vermochte. Er wolle auch ein Dienstbuch in dem das alles stehe. Das wurde ihm zugesichert; er erhalte ein Soldbuch. Damit gab sich der Wingult scheinbar zufrieden. Wie von selbst und als ob es seines Amtes wäre, übernahm nun der Wingult allen schweren Dienst in der Schwadron dessen er habhaft werden konnte. Er putzte und wartete sechs Pferde statt eines; er schleppte den ganzen Hafer für die ganze Schwadron allein vom Wagen; er schulterte die schweren riesigen Kisten mit Bekleidungsstücken, die fast täglich eintrafen, allein und wippte sie über den Nacken an ihren Platz daß keiner eine Hand dazu zu rühren brauchte; und in der Schmiede riß er den widerspenstigen Pferden, die sich nicht beschlagen lassen wollten, die Beine vom Boden, daß ihnen das Schlagen und Sichhinschmeißen verging. Aber das war alles nichts. Schon nach wenigen Tagen begann es den Wingult zu wurmen, daß für Waffentaten, ja selbst für Taten und Arbeit andrer Art, die seinen Schultern genügt hätte, kein Feld sich öffnete. Die Schwadron lag in Ruhe; außer einer täglichen Verwendung zu polizeilichen und wirtschaftlichen Zwecken wurden keine Lorbeern geerntet; zudem wußte man in dieser Phase des Krieges, immer von neuem auf eine große Bewegung oder einen Durchbruch hoffend, mit der Reiterei nichts Rechtes anzufangen. Der Wingult lief, nachdem er die paar Säcke vom Fouragewagen gehoben und seine Pferde versorgt hatte, mißmutig und unnütz umher wie ein leibhaftiger Atlas, dem man die Weltkugel vom Nacken genommen und der sich ohne die ihm gebührende Last nicht zurecht findet...“ Dazu lasse ich Ludwig van Beethovens Neunte Symphonie erklingen... https://www.youtube.com/watch?v=_AI9kp02eq0.