...chen Kreuzburg unser großer deutscher Dichter und Geschichtsschreiber Gustav Freytag geboren. Der Sohn eines Heilers besuchte in Öls die höhere Schule und studierte in Breslau und Berlin die deutsche Sprache und Dichtkunst. Darin erwarb er auch die Doktorwürde und die Hochschullehrbefugnis – letzte mit einer Arbeit über unsere Dichterin Roswitha von Gandersheim. Bis 1847 verdiente er seine Brötchen als freischaffender Gelehrter, um sich dann als Dichter und Zeitungsschreiber durchzuschlagen. Er geriet ein wenig in die Wirren des liberalen Umsturzversuchs von 1848/49 und mußte am Hof des Herzogs von Gotha Zuflucht suchen. Im Jahre 1867 wurde unser Gustav Freytag in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt, entsagte aber 1870 der Staatskunst und machte lieber im Gefolge von unserem späteren Kaiser Friedrich dem Vierten den großen Gallierkrieg mit. Später wurde er zum Geheimen Hofrat ernannt und erhielt den blauen Verdienstorden Friedrichs des Großen. Seine besseren Hälften Emilie Scholz und Kunigunde Dietrich heiratete unser Dichter 1847 beziehungsweise 1875. Letztere gebar ihm zwei Söhne. Das Werk unseres Gustav Freytags besteht aus den Erzählungen „Die Ahnen“, „Soll und Haben“ und „Die verlorene Handschrift“; den Trauerspielen „Der Gelehrte“, „Deutsche Geister“, „Die Valentine“, „Graf Waldemar“ und „Die Fabier“; den Lustspielen „Die Brautfahrt oder Kunz von der Rosen“ und „Die Journalisten“ sowie den Geschichtswerken „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“, „Neue Bilder aus dem Leben des deutschen Volkes“, „Karl Mathy“, „Wolf von Baudissin“, „Doktor Luther“ und „Erinnerungen aus meinem Leben“ - allesamt sollten einen Platz in eurer Panzerbücherei finden... Ludwig van Beethovens Neunte Symphonie bekommt unser Gustav Freytag von mir zum Wiegenfest gespielt: https://www.youtube.com/watch?v=_AI9kp02eq0 Aus den „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“ lese ich euch von den Heldentaten unseres Danziger Seehelden Paul Beneke vor: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10015687 „An dies große Schiff der Englischen kam ein Schiffer von Danzig, mit Namen Paul Beneke, welcher auch ein Orlogschiff führte, und kam mit den Englischen in Kampf und gewann das große Schiff und brachte es seinen Herren nach Danzig. Ein Rat von Danzig bemannte in der Eile das Schiff und setzte einen Ratmann darauf als Hauptmann. Aber da die Englischen das Schiff verloren und hörten, daß die Danziger damit in der See spazierten, trauten sie dem Schiff in der See nicht, in Sicht zu kommen. Also waren die von Danzig mit diesem großen Schiff den ganzen Sommer in der See, konnten aber keinen Profit schaffen, deshalb liefen sie nach der Elbe, Getränke und Proviant zu holen. Alldort verließ der Ratmann das Schiff und setzte Paul Beneke zum Hauptmann, damit er das Schiff um den Schagen segelte und vor die Weichsel bringe. Darauf reiste der Ratmann über Land und nach Hause. Aber Paul Beneke, dieweil der Wind günstig war, lief unter die Küste von Flandern, in Hoffnung einer guten Beute, wie ihm auch widerfuhr. Denn als er unter Flandern kam, ward er zu wissen, daß zu Brügge etliche Florentiner, welche damals Finanzer und jetzt Fugger genannt werden, von den Englischen großes Geld genommen hätten, damit sie unter ihrem Namen englisches Gut nach England verschiffen möchten, und daß sie dafür zu Sluis eine große Galleye geheuert hätten, die sie mit Geschütz und Volk mächtig gerüstet und dazu mit Wappen und Banner des Herzogs Karl von Burgund geziert hätten, und damit dies unvermerkt bleibe, hätten sie Welsche und Florentiner daraufgesetzt. Als dies Paul Beneke hörte, hatte er Verlangen, die Galleye zu besehen. Nicht lange darauf kamen die Florentiner mit der Galleye zur See, nicht anders, als wenn da eine Burg oder Schloß hergeflossen käme. Paul Beneke näherte sich der Galleye, bot ihnen seinen Gruß und fragte, woher sie kämen und wohin sie den Willen hätten. Aber der Hauptmann auf der Galleye, ein Lombarde, welcher der Padrone genannt wurde, gab ihm eine spöttische Antwort: Was er danach zu fragen hätte, ob er nicht die Wappen sowohl in den Bannern als auf der Galleye kenne, wo er denn zu Haus wäre, ob er denn wohl sonst schon Leute gesehen hätte. Denn der hoffärtige Lombarde ließ sich bedünken, der Deutsche mit seinem Schiff müßte dem Welschen wohl weichen. Aber er fand einen rechtschaffenen deutschen Mann vor sich. Deshalb sprach Paul zu dem Lombarden, er solle Flagge streichen und die Güter von sich geben, die nach England zu Haus gehörten, und wenn er nicht in gutem wollte, so sollte er dennoch streichen und damit Schiff und Gut verloren haben. Diese Worte achtete der Welsche für große Torheit, daß der Deutsche aus seinem Schiff dem Welschen in so großer unangreifbarer Galleye dürfte so trotzige Worte geben. Deshalb achtete der Welsche den Deutschen nicht wert, daß er ihm antworten wollte. Alsbald war Paul Beneke und sein Volk fertig und drückten zu der Galleye heran und hielten mit dem Welschen eine Zeitlang Schußgefecht. Aber dieweil das Volk in dem Schiff sah, daß die Welschen in der Galleye an Geschütz und Zahl des Volkes überlegen waren, wurden sie zaghaft und wichen mit dem Schiff zurück. Da dies die Welschen sahen, riefen und schrien sie ihnen mit allen Kräften nach. Da hub Paul Beneke in gar zornigem und traurigem Mut zu seinen Preußen an und sprach: „Och, Gesellen, wat do wi nu? Wat will hiruth werden? Wo willen unde können wi dat verantworden? Nun wollte ich doch, daß ich diesen Tag nicht erlebt hätte, wo ich mit meinen Augen ansehen muß, daß so mancher ehrliche deutsche Kriegsmann und Schiffmann vor den Welschen verzagt und die Flucht nimmt. Was haben wir doch für Ursache, was macht uns so verzagt? Wäre uns nicht ehrlicher, daß wir alle vor unseren Feinden für unseres Vaterlandes Freiheit gestorben und zur Stelle geblieben wären, als daß wir die Schande unser Leben lang tragen sollen, daß die Kinder mit Fingern auf uns weisen und nachschreien: das sind die, die sich von den Welschen haben verjagen lassen. Gedenkt doch, welch einen Mut unsere Feinde, die Englischen, erhalten werden, daß die allezeit gewinnen und wir verlieren. Wie manchen frommen deutschen Seemann werden wir um Leib und Gut bringen; ach hätten wir das Spiel nicht angefangen. Es wäre besser, wir hätten vorher gutes Maß gehalten, daß uns die Welschen ihr Leben lang nicht vor Augen gekriegt hätten. Habe ich nicht vorher zu euch gesagt: Brüder, da wäre wohl eine gute Beute vorhanden, aber sie will Arbeit kosten, wolltet ihr wie ich Ernst anwenden, sie sollte uns nicht entgehen, aber unerschrockene Herzen und Fäuste wollen dazu gehören. Die Galleye ist groß, dazu als ein unförmlich Biest anzusehen, das ihr nicht gewohnt seid, viel größer als unser Schiff, dazu mit vielem Volk und Geschütz ausgerüstet; aber es sind Welsche und keine Deutschen. So wir aber unseren Vorvätern nach mit Herz und Faust wollen Deutsche sein, so sollte uns die Beute nicht entgehen und unser Lebtag uns gut tun. Da riefet ihr alle, man sollte an euch nichts anderes finden, als was deutschen Männern wohl ansteht; ach großer Gott, jetzt muß ich mit meinen Ohren anhören, daß Welsche uns nachrufen: so soll man die deutschen Hunde jagen. Sollte nicht ein ehrlicher Deutscher eher sterben, als so etwas hören.“ Mit dergleichen Worten machte Paul Beneke seinem Volk das Blut wieder warm, daß sie sprachen: „Lieber Herr Hauptmann, hier ist noch nicht viel versehen; daß wir eine Wendung getan, kann uns viel und unsern Feinden nichts nützen. Laßt uns also unsere Sache fleißig beschicken, wie uns das am profitierlichsten ist, wir sind doch Deutsche und wollen uns auch als Deutsche finden lassen. Man führe uns abermals vor die Feinde, die Welschen, sie sollen Hunde vor sich finden, die nicht laufen, sondern weidlich beißen können, sie sollen diesen Tag mit Gottes Hilfe unser sein, und wären der Welschen auch noch so viel, oder wir wollen alle sterben.“ Als Paul Beneke merkte, daß der Kriegs- und Schiffleute Blut wieder warm und hitzig geworden war, wollte er sie auch nicht weiter verbittern, sondern er gab dem Schiffer gute Worte, daß er das Schiff an die Galleye steuern ließ. Da entfiel den Welschen der Mut, und da begannen sich die Preußen als Deutsche zu beweisen, unverzagt wie die Löwen zu den Welschen hinzudrängen und zu schlagen, und ehe die Welschen sich des versahen, waren die Deutschen bei ihnen in der Galleye und begannen zu würgen, was ihnen vor die Hand kam. Da hätte man mögen sein Wunder sehen, wie der große Padrone von der Galleye, der zuvor alle Deutschen fressen wollte, und der andere große Fugger auf die Erde fielen, sich vor die Brust schlugen und die Deutschen wie Götter anbeteten. Da ließ sich Paul Beneke abermals als ein Deutscher hören und sehen; denn wiewohl die Welschen nichts Gutes mit ihren spöttischen Worten von den Deutschen verdient, so konnte es doch das edle deutsche Blut nicht lassen, sondern mußte Barmherzigkeit beweisen gegen die, so jetzt überwunden sich demütigten und Gnade begehrten. Als nun die Galleye gewonnen war, entstand dem Paul Beneke eine neue Mühe, denn das Kriegsvolk und Schiffvolk wollte gar nicht gestatten, daß die Galleye nach Danzig gebracht werden sollte. Weil des Gutes so viel darin war, viele tausend Gulden an Wert, fürchtete das Volk, die Beute möchte ihnen nicht ganz zuteil werden, denn sie wußten, daß ein Rat von Danzig als Reeder des Schiffes die Hälfte für sich nehmen würde; außerdem befürchtete das Volk, es würden so viele Briefe und Schriften hinterherkommen, daß sie wohl nichts von der Beute kriegen würden. Diese und andere Ursachen mehr stellten sie dem Hauptmann vor, daß sie ganz und gar nicht nach Danzig wollten, und wiewohl Paul Beneke allen möglichen Fleiß anwandte, wie einem ehrlichen Deutschen ansteht, seinem Herrn stets Treue zu beweisen, so konnte er doch das Volk nicht überreden, sondern sie blieben bei ihrem Vorsatz und liefen mit der Galleye und dem Schiff auf die Elbe und begehrten von dem Bischof von Bremen Geleit, damit sie die Beute teilen könnten. Das Geleit wurde ihnen gegeben, deshalb legten sie vor Anker und nahmen Geleit von dem Rat von Stade, denn ein Rat von Hamburg wollte sie nicht geleiten. So boten sie die Beute zu Kauf, aber sobald es zu Lübeck und zu Hamburg ruchbar wurde, ließen die Herren in beiden Städten bei Leib und Gut verbieten, daß niemand von den genommenen Gütern kaufen sollte; aber weil sie guten Kauf gaben, kriegten sie dennoch Käufer, wiewohl es hoch verboten war...“.